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Als schon vor Monaten das neue BILLY TALENT-Album angekündigt wurde, konnte man global feuchte Hände verzeichnen, und die immer wachen Insider spürten schon bald den Download der Red Flag-Demoversion auf der MySpace-Seite der Band auf. Nun ist es endlich da und es rockt mit unbändiger Energie und ungebrochenem Willen zum Tempo: Billy Talent II. Das zweite Album einer Band. Die ewige Frage: Segen oder Fluch? „Es kann ein bisschen Fluch bedeuten, aber das ist auch erklärbar,“ räumt Gitarrist Ian D’Sa ein. „Wie man so schön sagt: Du hast ein Leben lang Zeit, dein erstes Album zu machen, und für das zweite nur ein paar Monate. Das wichtigste aber ist, dass du dich nicht in anderer Leute Zeitpläne pressen lässt, und dass du dann an ein neues Album gehst, wenn du dich dafür bereit fühlst.“ In der Tat sind BILLY TALENT mit zeitlicher Gelassenheit an die Sache herangegangen. Eigentlich sollten Ben, Ian, Jon und Aaron im Februar 2005 schon wieder im Studio stehen, also gleich nach der im Dezember 2004 abgeschlossenen Weltreise zum mit Lob und Awards überschütteten Erstling Billy Talent. Aber von der Straße direkt ins Studio - das ist BILLY TALENTs Sache nie gewesen. „Wir haben erst mal eine Auszeit genommen, und sind bei unseren Freunden, Familien und vielen Leuten geblieben, die man so um sich braucht,“ lacht Shouter Ben. „Du brauchst Sachen über die du schreiben kannst. Ein echtes Leben, dass dir Stoff gibt, den du in deinen Songs verarbeitest. Ich werde keine Texte darüber schreiben, wie es ist, wenn man die Highway rauf und runter fährt.“ Zweifellos waren die vergangenen drei Jahre für BILLY TALENT ein wahr gewordener Rock’n’Roll-Traum. Ob sie nun backstage mit ihren musikalischen Idolen jammten oder in einem voll ausgerüsteten Panzer auf einer Award-Zeremonie auftauchten, BILLY TALENT wussten um ihren Status als eine der begehrtesten Rockbands der Gegenwart und genossen diese Tatsache in vollen Zügen. Aber sie haben es sich auch hart verdient, denn bevor ihr Debüt Billy Talent in einer Supernova kollektiver Begeisterung explodieren konnte, hatten die Jungs über zehn Jahre mit ihren Fulltime-Jobs zu kämpfen und spielten den gesamten Clubcircuit in und um Toronto - von der gemieteten Aula in der Vorstadt bis hin zum winzigen Hip-Club Downtown Toronto. Nicht übel zu nehmen, dass sie mal Luft holen wollten. Die Version von BILLY TALENTs normalem Leben nahm ihren Anfang, als Kowalewicz, D’Sa, Gallant und Solowoniuk sich in der Highschool zusammentaten, um ihre gemeinsame Liebe zum Punk Rock in einer gemeinsamen Vision auferstehen zu lassen. Bands wie The Clash, Rage Against The Machine und Jane’s Addiction gaben die Inspiration für die Kanadier, die sich bald einen eigenen Sound zusammenschraubten. Damals unter dem Namen Pezz reüssierend, nahmen sie ein paar Demo-Tapes auf und veröffentlichten das Indie-Album Watoosh. 1999 folgte die Umbenennung in BILLY TALENT, eine Hauptfigur aus dem Film „Hard Core Logo“, der auf dem Roman von Michael Turner beruht. In Jahre 2001 - alle vier arbeiteten damals noch in Full-Time-Jobs: als Arbeiter in einer Autofabrik, als Finanzberater, als Radioproduzent und als Animator - spielten sie die EP Try Honesty ein. Damit war die Saat gepflanzt, die BILLY TALENT von einer obskuren Toronto-Clubband zum nordamerikanischen Majoract werden ließ. In der Folge ging es dann mit ihren Helden Buzzcocks und Jane’s Addiction auf die Bühne und auf Tour mit Lollapalooza und Warped sowie auf einige Gigs in Europa, u.a. auf die legendären Reading und Leeds-Festivals in UK. Jetzt also ist der Nachfolger zum bahnbrechenden Erstling da. Produziert von Gavin Brown und Ian D’Sa, gemixt von Chris Lord-Alge, verfügt Billy Talent II über den gewohnt wuchtigen Auf-die-12-Sound, der auch schon den Vorgänger zu einer Faust im Gehörgang werden ließ. Musikalisch ist Billy Talent II zudem mit allem ausgerüstet, was BILLY TALENT ausmacht: Hook-reiche, auf den Punkt gebrachte und tight arrangierte Songs. Natürlich haben sich die Erfahrungen der letzten Monate in der Musik niedergeschlagen, und so sollte die gesteigerte Souveränität der Band nicht verwundern, die sich vor allem in feiner durchformulierten Songstrukturen und Soundlayers ausdrückt. Auf monatelangen Touren dazu gewonnen hat allemal die Lungenkraft und Stimmgewalt von Sänger Kowalewicz, der zu einem wahren Punkrock-Crooner geworden ist. „Ich singe wesentlich mehr als auf dem ersten Album,“ betont er. „Ich will nicht als reiner Schreihals berühmt werden und habe daher mehr an meinem Gesang gearbeitet. Wenn man eine Geschichte erzählt, dann braucht man auch Kommas und Punkte. Auf dem ersten Album war ich vor allem wütend, jetzt fokussiere ich mich besser und such mir die richtigen Momente heraus.“ Unverändert ist die Relevanz der persönlichen Erfahrungen in den Lyrics der Songs und die scharfe Beobachtungsgabe Bens. So zeigt der Opener Devil In A Midnight Mass, wie gelungen Kowalewicz sich ein Thema nimmt und es aus seiner persönlichen Warte heraus behandelt: „Da geht’s um eine Story, die ich über einen Priester aus Boston gelesen habe,“ erklärt Ben. „Er wurde wegen Kindesmissbrauch angezeigt und die Kirche versetzte ihn von Gemeinde zu Gemeinde. Der Supreme Court überführte und verurteilte ihn, innerhalb von 30 Jahren 150 Kinder bedrängt zu haben, und während er im Knast saß, brach ein Mithäftling in seine Zelle ein und tötete ihn. Über solche Geschichten stolpere ich, und auch wenn es mich nicht persönlich und direkt betrifft, bewegt es mich. Ich trete sehr für die Rechte der Kinder ein, und dieser Song nimmt sexuellen Missbrauch unter die Lupe. Es geht hier nicht um die Kirche, sondern um diesen besonderen Vertrauensbruch zwischen Erwachsenem und Kind. Ich habe keine Antworten, aber wenn ich bestimmte Themen aufgreife, sprechen die Leute vielleicht öffentlich darüber.“ Natürlich fanden ebenfalls persönliche Themen ihren Weg auf das Album, so etwa Suchtopfer im Freundeskreis bei Fallen Leaves oder Hipster-Snobismus in Where Is The Line? bis hin zu Menschen, die ihre Überzeugungen verraten, wie in Covered in Cowardice - immer bereitet die Musik die Szenerie, während die Worte eindringliche Geschichten erzählen. Aber auch, wenn man einzelne Songs hervorheben kann, ist Billy Talent II alles andere als eine bloße Sammlung von Singles. Im Gesamtkonstrukt ergänzen sich die Songs zu einer großen Einheit, die mit Überlegung und Blick auf das Ganze gebildet wurde - daher auch der spartanische Titel. „Wir haben lange überlegt, ob der eine oder andere Songtitel auch einen Albumtitel abgeben würde, aber das Problem ist, dass der Eindruck entstehen könnte, ein bestimmter Song könnte die Essenz des Albums sein,“ erklärt Kowalewicz. „Für uns ist Billy Talent II ein gesamtes Album, nicht nur ein paar gute Songs plus Füller.“ Schon vor Erscheinen des Albums tritt Devil In A Midnight Mass übrigens seinen Siegeszug an. Der Clip zum Song wurde gleich in fünf Kategorien für den wichtigsten kanadischen Video-Award, den „Much Music Award“ nominiert: „Best Video“, „Best Director“ (Sean Michael Turrell), „Best Post Production“ (Geoff McLean), „Best Cinematography“ und „Best Rock Video“. In den deutschen Alternative-Charts ging der Song auf Anhieb auf die 1.
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